Mit dem StaRUG etabliert sich eine neue Form der Unternehmensübernahme. Diese ist nicht alternativlos. Anteilsinhaber können ihre Mitgliedschaftsrechte frühzeitig krisenfest ausgestalten.
Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) ist seit nunmehr fast fünf Jahren in Kraft und in die öffentlichen StaRUG-Verfahren häufen sich. Eingangsvoraussetzung für ein StaRUG-Verfahren ist die drohende Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens. Die sich in der drohenden Zahlungsunfähigkeit manifestierende Krise hat vor allem bei personalistischen Gesellschaften häufig ihren Ursprung in Streitigkeiten der Gesellschafter. Derartige Streitigkeiten beruhen wiederum auf dem Auseinanderfallen ursprünglich gleichlaufender Interessen.
Mit Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit eröffnet sich den Geschäftsleitern die Möglichkeit, im Wege des StaRUG-Verfahrens u.a. auf die Gesellschafterstruktur Einfluss zu nehmen, um eine nachhaltige Sanierung des Unternehmens zu ermöglichen. Gängiges Vorgehen ist es dabei zunächst eine Unterbilanz im Wege eines Kapitalschnitts auf Null zu beseitigen, um im Rahmen der anschließenden Barkapitalerhöhung Fremdkapitalgebern die Zeichnung neuer Anteile zu ermöglichen. Regelmäßig wird hierbei das Bezugsrecht der Alt-Gesellschafter ausgeschlossen, wobei eine Abfindung aufgrund der Wertlosigkeit der Beteiligung meist ausbleibt. In der Praxis wird die Sanierungskapitalmaßnahme zudem häufig mit einem Debt-to-Equity-Swap kombiniert im Zuge dessen den Fremdkapitalgebern gegen Einlage deren Forderungen neue Anteile gewährt werden.
Für diese Arten der finanzwirtschaftlichen Sanierung bedarf es einer offenen Kommunikation mit allen relevanten Stakeholdern und einer sorgfältigen Aufbereitung der erforderlichen Dokumentation.
Prominente Beispiele aus der Praxis – Das StaRUG-Verfahren ist besser als sein Ruf
Die in diesem Kontext bisher prominentesten StaRUG-Verfahren über die Leoni AG, die Varta AG, die Softline AG und die Spark Networks SE sehen sich u. a. dem Vorwurf ausgesetzt, Fallgestaltungen zu sein, in denen das StaRUG-Verfahren durch einen Mehrheitsgesellschafter „missbräuchlich“ zu dem Zweck eingesetzt wurde, die Minderheitsgesellschafter aus der Gesellschaft „herauszusanieren“. In den vorgenannten Fällen wurden die gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen gegen den Willen der Minderheitsgesellschafter mithilfe einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung gemäß den §§ 26 ff. StaRUG (sog. Cross-class-cram-down) durchgesetzt.
Insbesondere aus dem Lager von Anlegerschützern wird heftige Kritik an den – nach Anzeige des Vorhabens – zur Verfügung stehenden Instrumentarien des StaRUG geübt. Mancherorts wird von einem neuen „Restrukturierungsübernahmerecht“ gesprochen, das zu einer „entschädigungslosen Enteignung“ bzw. einem „restrukturierungsrechtlichem Squeeze Out“ führe. Dem wird von Seiten der Unternehmensleitung und den – häufig am neu geschaffenen Eigenkapital beteiligten – Mehrheitsgesellschaftern regelmäßig (und nicht „aus der Luft gegriffen“) eine Alternativlosigkeit der Sanierungsgestaltung für den Erhalt des Unternehmens entgegengehalten.
Ein solcher „Totalverlust“ der Anteilsinhaber ist ultima ratio und keinesfalls zwingend, wie es etwa das jüngste StaRUG-Verfahren über die BayWa AG verdeutlicht.
Auch unter der Annahme, dass das StaRUG nur den mit der Mitgliedschaft verbundenen Vermögenswert, nicht aber die Mitgliedschaft selbst schützt, bestehen zahlreiche Möglichkeiten, im Einvernehmen aller Stakeholder das Unternehmen zu restrukturieren – und dies eben unter Erhalt der Mitgliedschaftsrechte sanierungsbereiter Anteilsinhaber. Dabei ist aus Sicht der Anteilsinhaber zu berücksichtigen, dass, befindet sich das Unternehmen erst einmal im StaRUG-Verfahren, die effektive Rechtsdurchsetzung der Anteilsinhaber zum Schutz ihrer Mitgliedschaft deutlich erschwert ist.
Zielsetzung von Restrukturierungsrichtlinie (RL (EU) 2019/1023) und StaRUG – Anlass für ungeklärte Rechtsfragen
Die RL (EU) 2019/1023 (RRL) und das StaRUG dienen dem Ziel Insolvenzen abzuwenden und die Bestandfähigkeit des Schuldners durch frühzeitige Nutzung des präventiven Restrukturierungsrahmens sicherzustellen. Hierzu wurden mit dem StaRUG Instrumente geschaffen, die Blockadepositionen von Stakeholdern zugunsten einer Sanierung auflösen. Die RRL und das StaRUG schützen mit dieser Zielsetzung sowohl Gläubiger- als auch Gesellschafterinteressen. Zudem ermöglicht die RRL dem nationalen Gesetzgeber Rangfolge und Zeitpunkt der zu berücksichtigenden Interessen festzulegen.
Dieser Umstand ist Anlass für zahlreiche Rechtsfragen im Zusammenhang mit StaRUG-Verfahren unter Beteiligungen der Gesellschafter. Trotz der wachsenden Rechtsprechung der Restrukturierungsgerichte (AG München, Beschluss vom 15.02.2023 – 1507 RES 3229/22, ZIP 2023, 603; AG Hamburg, Beschluss vom 17.03.2023 – 61c RES 1/23, ZIP 2023, 1038; AG Nürnberg, Beschluss vom 21.06.2023 – RES 397/23, ZIP 2023, 2317; AG Dresden, Beschluss vom 09.08.2023 – 572 RES 1/23, ZIP 2023, 2316; OLG Stuttgart, Urteil vom 28.10.2024 – 20 U 30/24, ZRI 2024, 1076; LG Düsseldorf, Beschluss vom 20.03.2025 – 314c T 3/25, ZInsO 2025, 959) sind einige dieser Rechtsfragen noch weitgehend ungeklärt.
So besteht z. B. ein vehement geführter Streit über das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses vor Einleitung des StaRUG-Verfahrens und über die Auswirkungen eines fehlenden Beschlusses auf ein angezeigtes Restrukturierungsvorhaben. Nach divergierender Rechtsprechung der Restrukturierungsgerichte zeichnet sich eine Rechtsprechungslinie ab, nach der bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die positive Fortbestehensprognose ausschließlich von der Durchführung des konkreten StaRUG-Verfahrens abhängt, eine Zustimmung des Beschlussorgans erforderlich ist.
Weitestgehend ungeklärt ist zudem der Einfluss (gesellschafts-)vertraglicher Abreden der Gesellschafter untereinander oder mit den wesentlichen Stakeholdern über ein Stimmverhalten im Rahmen des StaRUG-Verfahrens.
Kritisch zu bewerten sind zudem Fälle, in denen ein Mehrheitsgesellschafter mit dem StaRUG-Verfahren Zwecke verfolgt, die nicht der nachhaltigen Sanierung des Unternehmens zuträglich sind.
Schwache Ausgestaltung der Anteilsinhaberrechte im Restrukturierungsverfahren
Die Anteilsinhaber erlangen meist erst mit der Ladung zum gerichtlichen Abstimmungstermin Kenntnis vom Inhalt des Plans. Innerhalb der 14-tägigen Ladungsfrist wird es kaum gelingen, einen hinreichenden Vortrag zur Glaubhaftmachung ihrer voraussichtlichen Schlechterstellung durch den Plan (bspw. durch Gegengutachten zur Vergleichsrechnung) vorzubereiten. Wie im Fall der Leoni AG und der Varta AG gesehen, scheitern daran regelmäßig Minderheitenschutzanträge und Beschwerden gegen den Planbestätigungsbeschluss.
Entschädigungs- aber nicht regresslose Ausscheiden aus der Gesellschaft?
Das entschädigungslose Ausscheiden der Anteilsinhaber muss jedoch nicht auch ein regressloses sein. Denkbar ist grundsätzlich ein Vorgehen der ausgeschiedenen Anteilsinhaber gegen die Geschäftsleitung. Das StaRUG sieht hingegen eine unmittelbare Haftung der Geschäftsleiter nur für bestimmte Konstellationen vor, in denen eine Stabilisierungsmaßnahme erwirkt wurde. Auch dürften Ersatzansprüche des Unternehmens gegen die Geschäftsleitung erst im Falle einer Folgeinsolvenz virulent werden. Daher sind die Anteilsinhaber darauf verwiesen, Ansprüche gegen die Geschäftsleiter wegen Durchführung eines abwendbaren StaRUG-Verfahrens gerichtlich geltend zu machen.
Sanierungskonzepte außerhalb eines StaRUG-Verfahrens
Nach dem Vorstehenden bietet es sich stets an, gangbare Alternativen zu einem StaRUG-Verfahren frühzeitig auszuloten. Unter anderem dürfte es in einem frühen Krisenstadium für Unternehmen mit einer homogenen Anteilsinhaberstruktur und wenigen Schlüsselgläubigern vorteilhafter sein, eine konsensuale Lösung außerhalb eines (gerichtlichen) Verfahrens zu suchen. Denkbar ist es, in Anbetracht eines möglichen Totalverlusts der Mitgliedschaft auch eine (erhebliche) Verwässerung hinzunehmen, um an einer positiven zukünftigen Entwicklung des Unternehmens partizipieren zu können.
Ist absehbar, dass es zu einer Sanierung im Rahmen eines gesetzlichen Verfahrens kommt, wird die Unternehmensleitung gehalten sein, sog. Lock-Up- und andere Restructuring Support Agreements mit Schlüsselgläubigern zu schließen. Diese Vereinbarungen zeichnen die anschließende Sanierung und zu leistende Beiträge vor. Anteilsinhabern ist es möglich, Partei einer solchen Vereinbarung zu werden und auf den Erhalt der eigenen Mitgliedschaft hinzuwirken. Dabei wird die geringe individuelle Verhandlungsmacht nur durch ein gemeinsames Handeln zu steigern sein. Einen unmittelbaren Schutz der Anteilsinhaber vor einer Majorisierung im Rahmen eines nachgelagerten StaRUG-Verfahrens bieten diese Vereinbarungen hingegen regelmäßig nicht.
Anfechtungsprivilegierter Sanierungsvergleich infolge einer Sanierungsmoderation
Neben der Möglichkeit einer Sanierung im Restrukturierungsplanverfahren hat der Gesetzgeber des StaRUG die Sanierungsmoderation eingeführt. Auf Antrag wird durch das Gericht ein Sanierungsmoderator bestellt. Unter dessen Moderation können auch die Interessen der Anteilsinhaber in einen Sanierungsvergleich des Unternehmens mit den Gläubigern Eingang finden. Ein gerichtlich bestätigter Sanierungsvergleich bietet den Vorteil, dass dessen Regelungen bis zur nachhaltigen Sanierung einem Anfechtungsprivileg unterliegen.
Alternativen frühzeitig nutzen
Aufgrund des drohenden „Totalverlusts“ durch das StaRUG-Verfahren sind die Anteilsinhaber gehalten, bereits im Vorfeld einer Krise aktiv zu werden. Um ihre Mitgliedschaftsrechte krisenfester zu gestalten, bietet es sich an, Zustimmungsvorbehalte für den Krisenfall satzungsmäßig festzuschreiben und die Möglichkeit künftiger Sanierungsbeiträge in flankierenden Vereinbarungen festzuhalten.
Köln, den 23. September 2025
Dr. Oliver Wilken